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Die Zeit ist reif, um die Fertigkeiten der deutschen Belegschaft weiterzuentwickeln

Die Zeit ist reif, um die Fertigkeiten der deutschen Belegschaft weiterzuentwickeln

VON Marco Nink

Vorgeschlagene Highlights:

  • Entwicklung muss mit Blick auf die Person und ihre Talente, ihre Position und ihre Ziele sowie die Bedürfnisse des Unternehmens geschehen
  • Führungskräfte sind am besten dazu geeignet, hilfreiches Feedback zu geben
  • Arbeitnehmende müssen aus den Gesprächen etwas für sich mitnehmen können

Wenn wir die Worte "berufliche Fort- und Weiterbildung" hören, denken wir zuerst an Programme, die Arbeitnehmenden neue Fertigkeiten vermitteln sollen.

Up- und Reskilling gewinnen zunehmend an Bedeutung. Berufliche Weiterbildungsmaßnahmen haben Deutschlands Arbeitnehmenden jene Fertigkeiten vermittelt, die das Land zur führenden Volkswirtschaft Europas gemacht haben. Damit dies so bleibt, benötigt Deutschland viele weitere qualifizierte Beschäftigte -- rund fünf Millionen in den nächsten zehn Jahren laut Institut der deutschen Wirtschaft.

Up- bzw. Reskilling und Führungskraft- bzw. Mitarbeiterentwicklung sind zwei verschiedene Dinge -- und doch sind sie beide nötig, um die deutsche Arbeitnehmerschaft auf die Zukunft vorzubereiten.

Es geht um die Person, nicht die Aufgabe

Während beim Up- und Reskilling der Fokus auf der Aufgabe liegt, dreht sich bei der Entwicklung alles um die Person. Vorgesetzte können Vertriebsmitarbeitende im Sinne des Up- und Reskillings für eine neue Software oder einen neuen Markt schulen oder während eines Pitch-Meetings sofort Feedback zu ihren Leistungen geben, mit dem sie Stärken betonen, Schwächen aufzeigen und Verbesserungsvorschläge machen.

Tatsächlich geschieht die effektivste Entwicklung mit Blick auf die Zukunft und ist an die Position der Beschäftigten, ihre Ziele, die Bedürfnisse des Unternehmens sowie die persönlichen Stärken angepasst. Werden diese Punkte beachtet, macht sich Fortschritt schneller bemerkbar: Arbeitnehmende, die stärkenbasiert entwickelt werden, zeigen 8 bis 18 Prozent höhere Leistung und erzielen 10 bis 19 Prozent bessere Verkaufsergebnisse, so eine Gallup-Metaanalyse. Unternehmen, die die inhärenten Stärken ihrer Belegschaft fördern, verzeichnen 14 bis 29 Prozent höhere Gewinne.

Nur zwei von zehn deutschen Arbeitnehmenden (18 %) erfahren hierzulande "optimale" Entwicklung. Ein weiteres Viertel der Befragten (23 %) gibt an, dass Entwicklungsmöglichkeiten für sie zwar existieren, es jedoch an strukturierter Begleitung fehlt. Mit anderen Worten: Entwicklung findet in einem Vakuum statt. Dies zeigt einen Mangel an gezielter Unterstützung auf; Beschäftigte haben zwar Entwicklungsmöglichkeiten, aber es mangelt an den Coaches, die die Entwicklung begleiten.

Coaching ist ein elementarer Bestandteil von stärkenbasierter Entwicklung und sollte durch eine Führungskraft erfolgen.

Coaching und Feedback

Hinter diesem Konzept steht folgende Erkenntnis: Jegliche Entwicklungsbemühungen sollten zielgerichtet und strukturiert sein und begleitet werden. Im Normalfall sind die Führungskräfte eines Unternehmens die einzigen, die für diese Aufgabe geeignet sind. Andere verfügen nur selten über die nötigen Möglichkeiten und Einblicke, um regelmäßig strukturierte Entwicklungsgespräche zu führen und dabei die Mitarbeitenden, die Ziele des Unternehmens und die täglichen Aufgaben zu berücksichtigen -- anders gesagt, zu coachen.

Coaching-Gespräche -- in angemessener Anzahl und Qualität -- regen Mitarbeitende an, über ihre individuellen Erfolge und Möglichkeiten in ihrem Arbeitsalltag zu reflektieren. Das Feedback eines Coaches enthält Tipps und Maßnahmen zur Kurskorrektur. Verbesserungsmöglichkeiten sollten schnellstmöglich angesprochen und aufgezeigt werden, damit Mitarbeitende das Erlernte umgehend auf ihre tägliche Arbeit anwenden können.

Dieses Feedback unterstützt die Weiterentwicklung. Von jenen Beschäftigten, die der Aussage "Mein Vorgesetzter/Meine Vorgesetzte gibt mir regelmäßig Feedback, das mir hilft, meine Leistung zu verbessern" uneingeschränkt zustimmen, erleben 39 Prozent eine optimale Lernkultur. Das bedeutet, dass sie gezielte und begleitete Entwicklungsmöglichkeiten wahrnehmen. Die Zustimmung "ohne Wenn und Aber" ist hier wichtig. Für die Befragten, die sich nicht ganz sicher waren, dass das erhaltene Feedback in Ansätzen hilft, fiel die Zustimmung zu dieser Aussage von 39 auf 14 Prozent.

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Leider sind Entwicklungsgespräche zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden nicht die Norm. Nur drei von zehn deutschen Arbeitnehmenden (29 %) geben an, dass sie von ihrem/ihrer Vorgesetzten regelmäßiges und hilfreiches Feedback erhalten. Weitere 29 Prozent stimmen zu, dass das Feedback ihnen zwar hilft, sie dadurch aber keine begleiteten Entwicklungsmöglichkeiten wahrnehmen können. Ihnen geht es jedoch immer noch besser als den Millionen an deutschen Arbeitnehmenden (die verbleibenden 42 %), die die Aussage, dass sie von ihrem/ihrer Vorgesetzten regelmäßiges und hilfreiches Feedback erhalten, kritisch bewerten.

Auch Führungskräfte benötigen Entwicklung

Dies hängt wahrscheinlich mit dem Mangel an Weiterbildungsmöglichkeiten für Führungskräfte zusammen. In Deutschland lernen Führungskräfte alles über Prozesse, Produktion und Leistungsbewertung, der Aspekt der Mitarbeiterentwicklung bleibt aber oft außen vor. Üblicherweise wird versucht, die Leistung von Mitarbeitenden durch Korrigieren ihrer Schwächen zu verbessern; die Betroffenen lernen dadurch jedoch nur, wie sie nicht arbeiten sollen. Das führt dazu, dass nicht genug Führungskräfte wissen, wie sie Talente coachen, unterstützen und fördern können: Nur 34 Prozent aller Angestellten stimmen der Aussage voll und ganz zu, dass ihr/e Vorgesetzte/r den Schwerpunkt auf die Stärken und positiven Eigenschaften der/des Befragten legt.

Da unser größtes Potenzial in unseren Stärken liegt, stimmt dieser Befund nachdenklich. Arbeitnehmende, die sich auf den Einsatz ihrer Stärken konzentrieren, weisen eine sechsmal so hohe emotionale Bindung auf. Die Entscheidung, für die eigene Belegschaft in Gallups CliftonStrengths®-Assessment und Entwicklungsprogramme für Führungskräfte zu investieren, zahlt sich für Unternehmen aus: diese Firmen verzeichnen im ersten Jahr (abhängig von Unternehmensgröße und Kursinhalten), einen Anstieg von ungefähr 1,4 bis 23,3 Millionen US-Dollar in geschätzter Produktivität sowie einen bis zu doppelt so hohen Anstieg in emotionaler Mitarbeiterbindung verglichen mit Unternehmen, die Mitarbeiterbindung zwar messen, jedoch keine Gallup-Kurse gebucht haben.

Daraus folgt, dass bessere Weiterbildungsmöglichkeiten Führungskräften die nötigen Kenntnisse in die Hand geben, damit diese die individualisierte Entwicklung ihrer Mitarbeitenden, strukturieren, begleiten und sie -- unter Beachtung ihres Potenzials -- so zum Erfolg führen. Es sind gut ausgebildete Führungskräfte, die Unternehmen in die Zukunft führen.

Unternehmen müssen dafür sorgen, dass Coaching-Gespräche regelmäßig stattfinden und dass Führungskräfte verstehen, wie diese Gespräche Leistung fördern und die Talente ihrer Mitarbeitenden stärken. Entwicklung geschieht aktiv, nicht passiv. Mitarbeitende sollten von Gesprächen mit Führungskräften persönlich profitieren können. Sicherlich würden mehr Arbeitnehmende um Feedback bitten, wenn ihr Unternehmen eine Kultur der Entwicklung fördern würde.

Die Arbeitskultur Deutschlands

Zahlreiche Beschäftigte in Deutschland erfahren eine solche Kultur jedoch nicht.

Viele Unternehmen verfügen zwar über eine Kultur, die Leistungsbereitschaft, Effizienz und Kompetenz honoriert -- was gut ist, denn in naher Zukunft müssen 5 Millionen Fachkräftestellen besetzt werden, für die Leistungsbereitschaft, Effizienz und Kompetenz nötig sind. Doch jede/r Mitarbeitende, egal in welcher Position, muss durch Entwicklungsmöglichkeiten lernen und sich durch Feedback weiterentwickeln können. Jede/r benötigt Austausch, der einen weiterbringt, und zwar mit Führungskräften, die die Person in den Mittelpunkt stellen. Jede/r sollte einen Coach haben.

Das sollte uns bewusst sein, wenn wir über Entwicklung sprechen: Strukturierte, geführte Konversationen und Feedback sind nötig, mit dem die Mitarbeitenden individuell unterstützt und ihre Stärken auf Ziele ausrichtet werden. Wenn Deutschland mehr Coaches hätte, würden Fachkräfte mit ihren Fähigkeiten bessere Ergebnisse erzielen.

Up- und Reskilling sind wichtig, daran besteht kein Zweifel. Es ist allerdings auch eine Herausforderung, denn im Zentrum der Entwicklungsbemühungen steht die Person. Selbst wenn Deutschland zahlreichen anderen Herausforderungen gegenübersteht, dürfen die Millionen Menschen nicht übersehen werden, die Entwicklung benötigen.

 

Author(s)

Marco Nink ist Director of Research and Analytics für EMEA bei Gallup.


Gallup https://www.gallup.com/de/392414/reif-fertigkeiten-deutschen-belegschaft-weiterzuentwickeln.aspx
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